"Holiday Heart Syndrom"

Autoren: G. Baller, J. Große Feldhaus, 02.01.2018

Fallbeschreibung: In der Silvesternacht werdet ihr um 3 Uhr nachts zu einem 35 Jahre alten Patienten mit Palpitation gerufen. Der Patient befindet sich in einer Diskothek, ist offensichtlich alkoholisiert und berichtet, dass er gegen 0 Uhr auf den Gipfel eines 500 m hohen Berges gestiegen ist, um das Feuerwerk anzuschauen. Während des Aufstiegs wurde ihm plötzlich schwindelig, zudem beschreibt er ausgeprägte Palpitationen.

Anamnese:

Plötzlich auftretender Schwindel und Palpitationen, keine Allergien, keine Vormedikation, leere Krankengeschichte, letzte Mahlzeit vor 5 Stunden. Die Beschwerden begannen plötzlich während des Aufstieges. Der Patient ist Raucher, hoher Alkoholkonsum

Vitalparameter:

AF: 18

SpO2: 99%

Lunge o.B.

Rekap: 2 sec.

HF: 54, unregelmäßig

RR: 120/70 mmHG

Diskussion:

Im EKG ist ein Vorhofflimmern zu erkennen. Bei genauer Betrachtung erkennt man zudem in den Ableitungen II, aVF, III und V4-V6 eine Hebung des J-Punktes, was allerdings bei einem 35 Jahre alten, gesunden, sportlichen Mann nicht unbedingt pathologisch sein muss. Das bradykarde Vorhofflimmern ist allerdings krankhaft und bedarf einer genaueren Abklärung. Auf Nachfrage gibt der Patient an, in den letzten 2 Wochen aufgrund der Feiertage und einer Hochzeitsfeier sehr viel Alkohol konsumiert zu haben, was er aber als aktiver Hobbyfußballer durchaus gewohnt sei. Da der Patient kreislaufstabil erscheint, bedarf es keiner medikamentösen oder elektrischen Akuttherapie. Eine Kardioversion könnte zu einem Schlaganfall führen, da sich möglicherweise bereits ein Thrombus in den Vorhöfen gebildet hat, was soweit möglich auszuschließen wäre (z.B. durch ein TEE (Transösophageale Echokardiographie) oder ein CT).

Wir haben es in diesem Fall möglicherweise mit einem sogenannten Holiday Heart Syndrom zu tun. Diese Bezeichnung wurde 1978 von Ettinger et al. im Zuge einer Studie an 24 Patienten verwendet, die insgesamt 32 arrhythmische Episoden hatten; in den meisten Fällen waren dies supraventrikuläre Arrhythmien. Alle Patienten hatten in der Zeit vor der Arrhythmien über Tage hinweg eine große Menge an Alkohol konsumiert, häufig im Urlaub. Die Arrhythmien konvertierten alle spontan innerhalb von 24 Stunden in einen normalen Sinusrhythmus.

Als pathophysiologische Ursache werden mehrere Möglichkeiten in Betrag gezogen, so führt Alkohol zu:

  • Erhöhter Sekretion von Adrenalin und Noradrenalin
  • Erhöhten freien Fettsäuren im Blut
  • Erniedrigtem Na+-Einstrom in Zellen (insbesondere Herzmuskelzellen)
  • Erhöhung oder Erniedrigung des intrazellulären pH-Wertes
  • Verlängerung der PQ-, QRS- und QT-Intervalle
  • Zudem kann auch die Kombination aus chininhaltigen Medikamenten und Gin Tonic zu einem Long-QT führen und in einer Torsade de Pointes enden.

Quellen:

https://emedicine.medscape.com/article/155050-overview

http://www.taz.de/!5119316/

https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/herzkreislauf/herzrhythmusstoerungen/article/921921/chinintoxizitaet-gin-tonic-herz-kann-stehen-bleiben.html

Hier den gesamten Artikel als PDF downloaden:

Kurzinfo: "Holiday Heart Syndrom"
Wir setzen unsere Serie zum EKG in der Akutmedizin fort, nutzen die Tatsache eng getakteter Feiertage zum Jahresende und stellen vor: Das Holiday Heart Syndrom
PPC4_Holiday Heart Syndrome.pdf
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